Weiterer Ausbau der Atomkraft in Tschechien – Small Modular Reactors (SMR)
Die Tschechische Republik plant in Südböhmen die Errichtung eines ersten kleinen modularen Reaktors (SMR) am Standort Temelin
Forschungsreaktor in Südböhmen
In der tschechischen Region Südböhmen, am Gelände des Kernkraftwerks Temelin soll ein erster kleiner modularer Reaktor (SMR) als Forschungs- und Pilotprojekt entstehen.
Im September 2022 unterzeichneten der tschechische Premierminister Petr Fiala, Kreishauptmann Martin Kuba und der tschechische Energieversorger ČEZ den Vertrag zur Gründung der Gesellschaft South Bohemian Nuclear Park. Mit dem Bau von Small Modular Reactors (SMR) will Tschechien seine Energieversorgung unabhängiger von Stromimporten machen, gleichzeitig plant Tschechien eine Führungsrolle in Sachen Atomkraft in Europa einzunehmen.
Medial sind derzeit folgende Details bekannt:
- In Südböhmen soll ein Zentrum für Atomenergie entstehen
- Hauptaufgabe: Errichtung eines ersten kleinen modularen Reaktors (SMR) als Pilot- und Forschungsprojekt am Gelände des KKW Temelin
- Errichtung: erste Hälfte der 2030er-Jahre
- 2023 soll bereits mit der Bewilligungs- und Lizensierungsdokumentation gestartet werden
- Ebenfalls 2023: Auswahl von zwei bis drei weiteren Standorten und Ausarbeitung einer Machbarkeitsstudie
- Neben dem Small Modular Reactor sollen in der südböhmischen Region auch Forschungs-, Schulungs- und Serviceeinrichtungen entstehen
- Zukunftsvision: Minireaktoren in jeder größeren Stadt in Tschechien
- Am Standort Temelin erwartet man sich Synergien bei Planung, Bau und Betrieb des Pilotreaktors, da mittelfristig auch der Bau von zwei weiteren Standard-Blöcken in Temelin (Blöcke 3 und 4) vorbereitet wird
- Derzeit ist noch kein Investor bekannt, die ČEZ -Gruppe ist aber in regem Austausch mit nahezu allen führenden Atomtechnologie-Unternehmen aus den USA, Frankreich, Großbritannien und Kanada, die eigene SMR-Entwicklungsprojekte haben.
Fazit:
Das Land Niederösterreich lehnt die Errichtung eines ersten Small Modular Reactors am Standort Temelin klar ab! Atomenergie aus kleinen modularen Reaktoren ist keine Zukunftsenergie, vielmehr gefährdet der potentielle weitere Ausbau der tschechischen Atomkraft in Südböhmen langfristig die Sicherheit Niederösterreichs. Zudem ist die Endlagerproblematik nach wie vor ungelöst und birgt Risiko für Generationen sowie teure Langzeitmaßnahmen zur Entsorgung hochradioaktiver Stoffe.
Small Modular Reactors (SMR) - Facts
Laut einem, vom deutschen Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), beauftragten Gutachten: Sicherheitstechnische Analyse und Risikobewertung einer Anwendung von SMR-Konzepten (Small Modular Reactors)( AuftragnehmerInnen: Öko-Institut e.V. Darmstadt, TU Berlin, Fachgebiet Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik (WIP) und Physikerbüro Bremen, März 2021) werden SMRs wie folgt definiert:
„SMRs sind Reaktoren, bei denen ein einzelner Reaktor eine elektrische Leistung von weniger als 300 MWe (oder eine thermische Leistung von weniger als 1000 MWth) aufweist. Dabei kann es sich sowohl um wassergekühlte als auch um sonstige (nicht-wassergekühlte) Reaktorkonzepte handeln. Damit reicht die Bandbreite der durch den Begriff SMR erfassten Konzepte von „heutigen“ Reaktoren mit geringer Leistung bis hin zu andersartigen Konzepten, für die bislang wenig industrielle Vorerfahrung vorliegt (wie beispielswiese Hochtemperatur- oder Salzschmelze-Reaktorkonzepte).“ (1) Quelle: urn:nbn:de:0221-2021030826028; S 16)
Die meisten SMR-Konzepte befinden sich noch in der Entwicklungsphase, die Marktaussichten sind mit erheblichen Unsicherheiten behaftet.
Weltweit sind rund 75 % aller SMR-Entwicklungskonzepte sechs Ländern zuzuschreiben (2) (Quelle: IAEA 2020a „Advances in Small Modular Reactors Technology Developments, 2020 ,S 307, Fig I-1), darunter in den USA (18), Russland (17), China (9), Japan (8), Kanada (7) und dem Vereinigten Königreich (4). Aktiv arbeiten 14 von insgesamt 18 Staaten an SMR-Konzepten.
SMR-Konzepte dienen in erster Linie der Stromproduktion, einige Anwendungen können aber auch zur Auskopplung von Wärme genutzt werden, z.B. für Fernwärme oder industrielle Prozesswärme. Zudem sind SMR für militärische Anwendungen und die Versorgung autarker Regionen von Interesse, da sie flexibel und ortsungebunden Energie bereitstellen können.
Aktive Staaten mit SMR Entwicklungsaktivität
Staat | Konzepte | Kommerzielle Kernkraftwerke? | Kernwaffen | Atom-U-Boote? |
---|---|---|---|---|
USA | 18 | ja | ja | ja |
Russland | 17 | ja | ja | ja |
China | 9 | ja | ja | ja |
Japan | 8 | ja | nein | nein |
Kanada | 7 | ja | nein | nein |
Vereinigtes Königreich | 4 | ja | ja | ja |
Indien | 3 | ja | ja | ja |
Südafrika | 3 | ja | nein | nein |
Dänemark | 2 | ja | nein | nein |
Indonesien | 2 | ja | nein | nein |
Südkorea | 2 | ja | nein | nein |
Tschechische Republik | 2 | nein | nein | nein |
Argentinien | 1 | nein | nein | nein |
Frankreich | 1 | ja | ja | ja |
Schweden | 1 | ja | nein | nein |
Quelle: (1) BASE; urn:nbn:de:0221-2021030826028 “Sicherheitstechnische Analyse und Risikobewertung einer Anwendung von SMR-Konzepten (Small Modular Reactors)“, 3/2021, S.50)
Aufgrund der geringeren elektrischen Leistung haben kleine modulare Reaktoren Kostennachteile gegenüber herkömmlichen Reaktoren, die durch Serienproduktion und Modularisierung kompensiert werden sollen.
Nuklearenergie stellt grundsätzlich keine nachhaltige und sichere Energieversorgung dar. Neben den endlichen Uranressourcen, die durch den geplanten massiven Atomkraftausbau schneller zur Neige gehen, steigen auch die Mengen an hochradioaktivem Material weiter an, für deren sicheren Verbleib eine Lösung gefunden werden muss.
Zwar haben kleine modulare Reaktoren ein geringeres Unfallpotenzial im Einzelfall, insgesamt aber steigt das Gefahrenpotential aufgrund der potenziell höheren Anzahl der SMR und des geringeren Abstandes zu den Verbrauchern beträchtlich an. Auch steigt das potentielle Risiko (interne und externe Notfallschutzplanung) im Bereich der Sicherung bei einer Vielzahl von SMR-Standorten. Zudem können sich bei einigen SMR Konzepten durch die Notwendigkeit höherer Urananreicherung oder den Einsatz von Plutoniumbrennstoffen nachteilige Auswirkungen auf die Proliferationsresistenz (das ist die Erfordernis den Zugang zu oder die Technologie zur Herstellung von atomwaffenfähigen Material zu verhindern) (1) Quelle BASE, urn:nbn:de:0221-2021030826028; S 164 ergeben.
Strom aus erneuerbaren Energien ist in den vergangenen Jahren deutlich kostengünstiger geworden, die Bauzeiten sind kürzer und zudem eine sichere Alternative zur Stromerzeugung aus Nuklearenergie. Auch ist die Relevanz für die Reduktion der Treibhausgase durch die notwendige Massenproduktion von SMR aufgrund der geringen Leistung der einzelnen SMR nicht gegeben (Entwicklungs- und Bauzeit versus Treibhausgasneutralität 2040/2050).
weiterführende Links
- Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE)
- IAEA-Publikation: „Advances in Small Modular Reactors Technology Developments, 2020“
Ihr Kontakt zum Thema Anti-Atomkoordination
Abteilung Umwelt- und Anlagentechnik Landhausplatz 1, Haus 13 3109 St. Pölten E-Mail: post.bd4@noel.gv.at
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