„Fabrik im Dorf“. Industrie im ländlichen Raum 

43. Symposion des NÖ Instituts für Landeskunde in Kooperation mit dem Institut für Geschichte des ländlichen Raumes 

Wolkersdorf im Weinviertel, 30. Juni – 2. Juli 2025

Konzept und Organisation: 
Stefan Eminger (NÖ Landesarchiv
Oliver Kühschelm und Brigitte Semanek (Institut für Geschichte des ländlichen Raumes)


Dürnkrut Zuckerfabrik 1952
© Dürnkrut Zuckerfabrik 1952, Privatsammlung Manfred Winterstein

Niederösterreich ist ein klassisches Industrieland, auch über sein „Industrieviertel“ hinaus. Das 43. Symposion des NÖ Institut für Landeskunde wird in Kooperation mit dem Institut für Geschichte des ländlichen Raumes die jüngere Geschichte der Verbindung von Industrie und Land behandeln, von 1945 bis 2025. Denn zumindest für diesen Zeitraum gilt in Niederösterreich: Industrie, das ist wesentlich Industrie im ländlichen Raum, die Fabrik im Dorf. In den Blick genommen werden daher auch: Fabriken in Wolkersdorf im Weinviertel, dem diesjährigen Veranstaltungsort des Symposions.

Im April 1945 kommt die Industrieproduktion zu einem jähen Halt. Zu Ende sind nationalsozialistische Rüstungswirtschaft und Zwangsarbeit, die Industriezone südlich von Wien ist ein Trümmerfeld. Bald aber ist die Industrie in den „Wiederaufbau“ eines Kleinstaats eingespannt. Zu ihren Rahmenbedingungen gehört in Niederösterreich auch, dass 1946 die sowjetische Besatzungsmacht Flaggschiffe der Industrie als „deutsches Eigentum“ beschlagnahmt – markant z.B. die Ölförderung, deren Bohrtürme in Teilen des Weinviertels bis heute die Landschaft prägen. Ab 1955 folgen Jahrzehnte der nachholenden Westorientierung, eine Phase beispiellosen Aufschwungs beginnt. Gleichzeitig bleibt Niederösterreich das Land an der „toten Grenze“– von den kommunistisch regierten Ländern im Norden und Osten politisch und wirtschaftlich getrennt.

Als 1989 die „Ostöffnung“ einsetzt und 1995 Österreich der Europäischen Union beitritt, eröffnen sich neue internationale Horizonte, aber auch neue Risken. Der Textilerzeugung etwa, einer besonders im Wald- und Industrieviertel einst wichtigen Branche, gibt der verschärfte Wettbewerb zumeist den Rest. Zu einer Deindustrialisierung kommt es aber gerade nicht. Für viele mittelständische Industriebetriebe beginnt in den 1990ern die eigene Globalisierung mit Investitionen im benachbarten Ausland – in Länder, die seit 2004 selbst Mitglied der EU geworden sind und von der österreichischen Industrie inzwischen als Teil eines erweiterten „Heimmarkts“ betrachtet werden.

Die Vortragenden werden zeigen, wie sich die industrielle Produktion mit dem Leben in Dörfern und Kleinstädten verflochten hat. Denn Industrie reicht immer über ihre eigene Branche und das Fabriksgelände hinaus: Ihre Aufträge beschäftigen lokale Gewerbebetriebe und die Belegschaft versorgt sich im örtlichen Handel. Das Symposion wird auch dem Zusammenspiel von Agrarwirtschaft und industrieller Produktion nachgehen – anhand der Raiffeisen Lagerhaus-Genossenschaften und der Geschichte der Molkereien.

Industriefirmen sind lokal und regional wichtige Arbeitgeber. Sie ziehen Migration ebenso an, wie sie tägliche Pendlerströme erzeugen. Sie wirken auf das lokale Gemeinschaftsleben, durch Werksvereine, Sponsoring für den Fußballverein oder Spenden für Veranstaltungen. Leitung und Management, Betriebsräte und Mitarbeitende sind in der lokalen Politik präsent, oft mit großem Einfluss.

Die Gebäude der Produktion und Lagerung, die Verkehrsinfrastrukturen, vom Eisenbahnanschluss bis zur Autobahnabfahrt, greifen massiv in das Ortsbild und die Umgebung ein. Als Quelle von Lärm und Luftverschmutzung waren Fabriken gefürchtet; heute sind Industriegebiete wegen der Versiegelung von Boden umstritten – oder als Ansammlung von Hallen, die sich zwischen Ort und Landschaft stellt. Die Ansiedlung von Industrie wurde und wird aber ebenso als Erfolg von Regionalpolitik und Einnahmequelle für Gemeinden geschätzt. Über die Potenziale und Probleme lässt sich anhand des „Ecoplus Wirtschaftspark“ Wolkersdorf diskutieren, den das Symposion besuchen wird.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist Industrie nicht mehr nur neu. Sie ist oft selbst bereits historisch. Familien und Gemeinden verbinden über Generationen hinweg Arbeits- und Dorfleben mit den Werkhallen und Schloten. Diese werden zu Wahrzeichen, deren Verlust die lokale Öffentlichkeit bemerkt und bedauert: Als in Hohenau an der March 2007 der 60 Meter hohe Kalkofen der ehemaligen Zuckerfabrik gesprengt wird, ist die Bevölkerung auf den Beinen und die regionalen Medien berichten. Unzählige lokale Museen pflegen daher auch die Erinnerung an vergangene Industrien als Teil der „Heimat“. Bildbände beziehen sie in eine Ruinenromantik ein, die aus der Fabrik einen attraktiven Teil regionaler Vergangenheit macht. Der verfallene Ziegelofen und die von Gestrüpp umwucherte Werkshalle sind Fotomotive für Instagram und haben als „lost places“ ihre Fan-Websites. Private und lokale Erinnerungskultur treffen sich mit staatlicher Regulierung und Landespolitik: Bereits Band vier der Reihe „Denkmalpflege in Niederösterreich“ widmete sich 1988 „Industriedenkmal und Industrielandschaft“ als damals „neuen Begriffen“.

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Letzte Änderung dieser Seite: 17.3.2025
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